Das Bundeskabinett hat im November einen Gesetzesentwurf zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts beschlossen, der jetzt im Bundestag diskutiert wird. Der Entwurf beinhaltet Änderungen zum Tatbestand des Verschwindenlassens. Damit soll die strafrechtliche Verfolgung dieses Verbrechens in Deutschland vereinfacht werden. Die Regierung setzt damit teilweise Empfehlungen des UN-Ausschusses gegen das gewaltsame Verschwindenlassen (CED) um (wir berichteten).
Der Entwurf sieht vor, im Tatbestand des Verschwindenlassens als Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 VStGB) die Voraussetzung einer ausdrücklichen Nachfrage zum Verbleib der verschwundenen Person zu streichen. Diese „Nachfrageerfordernis“ war von deutschen Menschenrechtsorganisationen besonders kritisiert worden (zum Beispiel hier, hier und hier), weil es für Angehörige oder Bekannte entweder gar nicht oder nur unter erheblichen Risiken möglich ist, sich bei Behörden oder Sicherheitskräften nach dem Verbleib der verschwundenen Person zu erkundigen. Eine derartige Erfordernis gibt es weder im Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs noch im Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen. Andere Kritikpunkte, wie zum Beispiel die Einstufung der Freiheitsberaubung als „schwerwiegend“, wurden nicht aufgenommen.
Von besonderer Bedeutung ist, dass es einen eigenen Straftatbestand des Verschwindenlassens von Personen im Strafgesetzbuch (§ 234b) geben soll. Die Definition des Verschwindenlassens im Gesetzesentwurf ist eng an die Definition des Übereinkommens zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen angelehnt. Allerdings ist das Strafmaß von einer „Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr“ äußerst gering und es ist fragwürdig, ob dies dem Artikel 7 des Übereinkommens gerecht wird, demnach die Vertragsstaaten angemessene Strafen vorsehen müssen, die die besondere Schwere des Verschwindenlassens als Straftat widerspiegeln.