Die praktische sowie rechtliche Aufarbeitung der Jahrzehnte des bewaffneten internen Konflikts in Kolumbien betrifft unterschiedlichste Bereiche und bedarf zahlreicher kleinteiliger Arbeit, wie folgende Einblicke zeigen:

Im August wurden 315 Leichname mutmaßlicher Opfer des gewaltsamen Verschwindenlassens aus dem Zentralfriedhof von Cúcuta geborgen. Dieser Fund ist Teil des Regionalen Suchplans, den die Einheit zur Suche nach Verschwundenen (UBPD) seit 2019 umsetzt, unterstützt von der Jurisdiktion für den Frieden (JEP). Bei den Ausgrabungen fanden die Teams verwitterte Plastiksäcke mit teils unmarkierten Überresten, wahllos angehäufte Knochengerüste und Reihen unbekannter Leichname mit unregelmäßigen Markierungen. Identifizierte Überreste wurden für die Wiederbestattung vorbereitet und, wo möglich, Angehörigen übergeben.

Im September startete UBPD in Zusammenarbeit mit der JEP und dem Institut für Rechtsmedizin die digitale Initiative „Búsqueda inversa“ („umgekehrte Suche“). Statt wie üblich nach den vermissten Personen zu suchen, geht es darum, erstmals die Angehörigen von Opfern des gewaltsamen Verschwindenassens ausfindig machen. Es werden Informationen über identifizierte Opfer veröffentlicht, darunter Fotos und grundlegende Daten wie Identitätsnachweise und Ort der Verschleppung. So sollen Familien, die oft jahrelang vergeblich gesucht haben, ihre Angehörigen endlich zurückerhalten können.

Beim Friedenstribunal entschied die JEP, dass bestimmte Verbrechen ehemaliger Farc-Kommandeure, darunter Rodrigo Londoño alias Timochenko, Senator Julián Gallo und Milton de Jesús Toncel Redondo alias Joaquín Gómez, nicht amnestiert werden können. Zu den unverzeihlichen Verbrechen zählen unter anderem Morde, Massaker, sexuelle Gewalt, Zwangsvertreibungen und das Verschwindenlassen. Diese Taten stellen schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht dar, und die JEP hat weitere ehemalige Farc-Kommandeure geladen, um sich für deren Beteiligung an diesen Verbrechen zu verantworten.

Zugleich wurde Jorge Eliécer García Estupiñán zu 35 Jahren Haft verurteilt, da er an der gewaltsamen Entführung von fünf Unterzeichner*innen des Friedensabkommens in Nariño beteiligt war. Die Ermittlungen zeigten, dass die Opfer von einer bewaffneten Gruppe verschleppt wurden und seitdem verschwunden sind. Außerdem wurde ein weiterer Mann für den versuchten Mord an einer Friedensunterzeichnerin in Putumayo zu neun Jahren Haft verurteilt.

Die kolumbianische Generalstaatsanwaltschaft und die nationale Ombudsstelle warnen vor zunehmender Gewalt gegen Friedensunterzeichner, insbesondere in den Regionen Caquetá und Cauca. Diese Gewalt stellt nicht nur eine Bedrohung für das Leben der Ex-Kombattanten dar, sondern gefährdet auch ihre soziale und wirtschaftliche Wiedereingliederung. Die Regierung hat kürzlich den rechtlichen Rahmen für spezielle Wiedereingliederungszonen gestärkt, um die Sicherheit und Unterstützung für Projekte dieser ehemaligen Kämpfer zu gewährleisten.

Für ein kleines Podcast sprach Npla mit der kolumbianischen Autorin und Regierungsberaterin Helena Urán Bidegain über die Suche nach den Verschwundenen, die historische Erinnerung und über die Notwendigkeit, in diesen Prozessen mit Verantwortlichen für schwere Menschenrechtsverbrechen zu sprechen und diese einzubeziehen.