Im April hielt die „Chilenisch-Deutsche Gemischte Kommission zur Aufarbeitung der Colonia Dignidad und Integration der Opfer in die Gesellschaft“ ihre 11. Sitzung in Berlin ab. Ziel ist es unter Anderem, eine Gedenkstätte und ein Dokumentationszentrum auf dem Gelände der Sekte, das inzwischen Villa Baviera heißt, zu errichten. Expert*innen und Bundestagsabgeordnete kritisierten, dass bisherigen Forderungen und konkreten Vorschlägen für die Einrichtung einer Erinnerungsstätte bis jetzt nicht umgesetzt wurden.
Der deutsche Laienprediger Paul Schäfer gründete in den 1960er Jahren die Colonia Dignidad („Kolonie der Würde“) im Süden Chiles. Paul Schäfer, Reinhard Döring, Kurt Schnellenkamp, der Arzt Hartmut Hopp und weitere Unterstützer*innen bauten auf dem 17.000 ha großen Landgut eine abgeschottete Siedlung auf und zwangen die Bewohner*innen zu schwerster Arbeit ohne Lohn. Eine Vielzahl von Jungen wurden insbesondere von Schäfer vergewaltigt und sexuell missbraucht. Nach dem Putsch von Augusto Pinochet arbeitete die Sektenführung eng mit dem Diktator zusammen. Während der Pinochet Diktatur (1973-1990) wurden auf dem Gelände der Sekte Regimegegner gefoltert und ermordet. Bis heute sind Opfer, die auf dem Gelände gefangen gehalten wurden, verschwunden. Es ist auch nicht geklärt, wie viele Personen es sich handelt.
Anfang Mai wurde ein ehemaliger Bewohner der Colonia Dignidad, Willi Malessa, in Chile verhaftet. Malessa, der als Kind aus Deutschland in die „Kolonie der Würde“ kam, ist wegen seiner mutmaßlichen Beteiligung am Verschwindenlassen von Juan Maino, Elizabeth Rekas und Antonio Elizondo 1976 angeklagt.
Die Verhaftung Malessas gibt den Angehörigen der Opfer Hoffnung auf Aufklärung des Schicksals ihrer Verwandten. Die Bestätigung der Untersuchungshaft durch ein chilenisches Gericht wurde von den Angehörigen begrüßt. Sie hatten befürchtet, dass Malessa bei einer Entlassung aus der Untersuchungshaft nach Deutschland fliehen könnte. In Deutschland herrscht Straflosigkeit für die Täter der Colonia Dignidad, die sich hier aufhalten, nachdem die Ermittlungen von Seiten der deutschen Behörden 2019 eingestellt wurden.
Mehr Informationen über die Colonia Dignidad gibt es auf der Webseite des 2022 eröffneten chilenisch-deutschen Oral History-Archivs, und auf dem Blog Colonia Dignidad Public History Forschungsblog.