
Die kolumbianische Sonderjustiz für den Frieden (JEP) hat Ende Mai 2025 entschieden, die Strafverfolgung gegen 34 Militärs einzustellen, die für außergerichtliche Hinrichtungen und gewaltsames Verschwindenlassen verantwortlich gemacht werden. Damit werden nicht nur Ermittlungen beendet, sondern auch Gerichtsakten gelöscht. Besonders umstritten ist die Entscheidung, da sie auch sechs Militärs betrifft, die am Fall von Fair Leonardo Porras Bernal beteiligt waren – einem von über 6.400 dokumentierten „falsos positivos“, bei denen Zivilist*innen ermordet und als gefallene Guerilla-Mitglieder ausgegeben wurden. Opferverbände, Anwaltskollektive und Menschenrechtsorganisationen kritisieren dies als eine „de facto Amnestie“ für schwere Menschenrechtsverbrechen.
Gleichzeitig zeigen andere Verfahren die Ambivalenz des Übergangsjustizsystems. Im September 2025 berichtete die JEP, dass durch die Kooperation von 13 angeklagten Militärs 54 nicht identifizierte Leichname in der Region Huila exhumiert werden konnten. Insgesamt wurden seit 2021 landesweit über 2.000 Körper geborgen, mehr als 200 identifiziert und über 120 an ihre Familien übergeben. Diese Maßnahmen sind Teil eines restaurativen Ansatzes, bei dem Täter bei der Suche nach Verschwundenen helfen sollen.
Die zentrale Rolle in der Aufarbeitung übernehmen jedoch weiterhin Angehörige, insbesondere Frauen. Mütter, Töchter und Ehefrauen sind seit Jahrzehnten treibende Kräfte im Kampf um Wahrheit und Gerechtigkeit. Laut der staatlichen Suchkommission gelten aktuell über 132.000 Menschen als vermisst. Trotz Bedrohungen haben Frauen Bewegungen aufgebaut, die internationale Unterstützung, etwa durch das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte, nutzen, um eine staatliche Politik zur Suche und Prävention durchzusetzen.
Am 1. September 2025, starb eine von ihnen: Yanette Bautista. Die bekannte Menschenrechtsverteidigerin hatte ihre Schwester Nydia Erika 1987 nach deren gewaltsamem Verschwinden durch das Militär jahrelang gesucht und schließlich gefunden. Aus dieser persönlichen Tragödie entstand ein lebenslanger Einsatz gegen das Verschwindenlassen. Mit der 1999 gegründeten Stiftung Nydia Erika Bautista unterstützte sie hunderte Frauen bei der Suche nach Angehörigen und setzte sich für die juristische Anerkennung des Verbrechens ein. Sie prägte die kolumbianische Erinnerungskultur nachhaltig. Ihr Tod hinterlässt eine Lücke, doch ihr Vermächtnis wirkt als Symbol für Beharrlichkeit und Widerstand gegen Straflosigkeit fort. Der Psychologe Carlos Martín Beristain, der bei der kolumbianischen Wahrheitskommission mitgearbeitet hat, kannte Yanette Bautista über viele Jahre. Er hat einen herzlichen Nachruf verfasst, der sich auf unserer Seite findet. Eine weitere Erinnerung teilt Koalitions-Mitglied Rainer Huhle auf der Seite des Nürnberger Menschenrechtszentrums. Dabei erinnert er außerdem an das Wirken der kürzlich verstorbenen Rosa Tarlovsky, einer der Abuelas del Plazo de Mayo in Buenos Aires, sowie der deutsch-jüdischen Journalistin Ruth Weiss.