Nach dem Rücktritt von Karla Quintana als Leiterin der Nationalen Suchkommission (CNB) in Mexiko im August 2023 (wir berichteten), wurde am 23. Oktober Teresa Guadalupe Reyes Sahagún zur neuen Leiterin der CNB ernannt.
Die Wahl stieß wegen mangelnder Transparenz im Auswahlverfahren auf scharfe Kritik von Angehörigen und Menschenrechtsorganisationen. Unter anderem weigerte sich die mexikanische Regierung anzugeben, wer in dem Auswahlprozess konsultiert worden war. Artikel 51 des mexikanischen Gesetzes zum Verschwindenlassen (Ley General en Materia de Desaparición Forzada, Desaparición cometida por Particulares y el Sistema Nacional de Búsqueda) gibt vor, dass Angehörige, Expert*innen und zivilgesellschaftliche Organisationen bei der Auswahl der Leitung der CNB öffentlich konsultiert werden müssen. Auch der nationale und die regionalen Bürgerräte des Nationalen Suchsystems (Consejo Nacional Ciudadano del Sistema Nacional de Búsqueda) sprachen sich gegen die Ernennung Reyes Sahagúns aus.
Darüber hinaus besitzt Reyes Sahagún keinerlei Erfahrung in der Suche nach Verschwundenen, ein weiteres Auswahlkriterium für die Leitung der CNB laut Artikel 51. Reyes Sahagún hatte vorher verschiedene Positionen innerhalb der Partei des mexikanischen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador (Morena) inne und leitete seit 2018 die Coordinación de Delegaciones de la Secretaría de Bienestar. Diese Einrichtung war 2023 für eine von López Obrador angeordnete Neuzählung der Verschwundenen verantwortlich und wurde beschuldigt, die Zahlen zu fälschen und mit fragwürdigen und re-viktimisierenden Methoden zu arbeiten.
Am 14. Dezember stellte López Obrador, der behauptet, das ursprüngliche Register der Verschwundenen sei gefälscht worden, um seine Regierung zu diskreditieren, die Ergebnisse der Neuzählung in seiner morgendlichen Pressekonferenz vor. Im Gegensatz zu den über 110,000 Fällen im Nationalen Register von Verschwundenen und Vermissten Personen (Registro Nacional de Personas Desaparecidas y No Localizadas, RNPDNO), benennt die Regierung von López Obrador nur 12,377 bestätigte Fälle von Verschwindenlassen.
Die Angehörigenbewegung Movimiento por Nuestros Desaparecidos en México (MNDM) veröffentliche eine Stellungnahme, in der sie klarstellt, dass die Angehörigen nicht ausreichend über die Methode der Neuzählung informiert wurden und die Opferzahlen der Verschwundenen weit höher liegen. Dieser Artikel des Nachrichtenportals adondevanlosdesaparecidos analysiert die Schwachstellen der neuen Zählmethode der Regierung im Detail. In diesem taz Artikel werden, am Beispiel der Angehörigen der seit 2014 verschwundenen 43 Studenten aus Ayotzinapa, die Missstände in Fällen von Verschwindenlassen bis hin zu den Diffamierungen durch Präsident López Obrador beschrieben.
Menschrechtsorganisationen und Angehörigengruppen sorgen sich über die negativen Tendenzen im Land, zumal Alejandro Encinas, der Staatssekretär für Menschenrechte, im Oktober zurücktrat um die Präsidentschaftskandidaten Claudia Sheinbaum bei ihrer Wahlkampagne zu unterstützen. Encinas war eine der wichtigsten Kontaktpersonen in der Regierung für die Angehörigen von Verschwundenen in Mexiko.